Segelfliegen

Grundlagen des Segelfliegens

Erstaunlich aber wahr, dass sich ein Segelflugzeug mit einem Gewicht von teilweise über einer halben Tonne stundenlang in der Luft halten kann. Ohne zusätzlichen Antrieb sind sogar Strecken von mehreren hundert Kilometern Länge fliegbar. Strecken von über 1000 km wurden in Deutschland schon geflogen. Möglich werden diese Leistungen durch die hervorragenden Gleiteigenschaften moderner Segelflugzeuge und das Ausnutzen der vom Wetter gegebenen natürlichen Energiequellen, den Aufwinden. Kaum ein anderer Sport schafft es Natur und Technik auf so faszinierende Art zu verbinden.

 

Technik eines Segelflugzeugs

 

 

 

Blick ins Cockpit eines Segelflugzeugs: hier befinden sich die Steuerorgane und die Instrumente.

 

Die Instrumente

Zur Standardinstrumentierung in einem Segelflugzeug gehören der Höhenmesser, der Fahrtmesser, der Kompass und das Funkgerät. Das Variometer unterstützt den Segelflieger bei der Suche nach Thermik, indem es die Steig- oder Sinkgeschwindigkeiten anzeigt. Heutzutage sind viele Segelflugzeuge auch mit einem GPS ausgestattet, so dass der Segelflieger ständig über seine exakte Position informiert ist.

 

Der Höhenmesser

Beim Höhenmesser handelt es sich im Grunde genommen um ein Barometer, wie man es von den vielen kleinen Wetterstationen für zu Hause vielleicht schon kennt. Da der statische Luftdruck mit zunehmender Höhe abnimmt, kann man diesen als Maß für die Höhe benutzen. Im Höhenmesser befindet sich eine (Aneroid-)Dose, das ist eine Membrandose mit verringertem Innendruck, die sich aufgrund der unterschiedlichen Druckverhältnisse in verschiedenen Höhen jeweils mehr oder weniger zusammendrückt. Eine Zeigermechanik zeigt dann die Höhe auf einer geeichten Skala an. Der lange Zeiger zeigt die Höhe in Hundermeterschritten an, der kurze in Tausendmeterschritten. Da sich der Luftdruck an einem Ort im Laufe der Zeit aufgrund des Wettergeschehens ebenfalls ändert, muss der Pilot stets vor dem Start seinen Höhenmesser neu einstellen (entweder auf Null oder auf die Höhe über dem Meeresspiegel). In dem kleinen Schaufenster wird ihm der aktuelle Luftdruck am Flugplatz (bzw. über dem Meeresspiegel) angezeigt. Mit Hilfe dieses Fensters hat er auch die Möglichkeit sich während des Fliegens von einem anderen Flugplatz den neuen Luftdruck (über Meeresniveau) geben zu lassen, wenn sich beispielsweise der Luftdruck aufgrund einer neuen Wetterlage (z.B. Aufzug eines Tiefdruckgebiets) rasch ändert (und damit die Höhenanzeige nicht mehr korrekt wäre).

 

Der Fahrtmesser

 

 

Der Fahrtmesser dient zur Anzeige der Fluggeschwindigkeit relativ zur umgebenden Luft. Er ist eines der wichtigsten Instrumente an Bord eines Segelflugzeugs. Zur Messung der Geschwindigkeit nimmt man den sogenannten Staudruck. Mit Hilfe eines Pitotrohrs an der Flugzeugnase (oder am Leitwerk) wird der Gesamtdruck gemessen. Aus der Differenz von Gesamtdruck und statischen Druck ergibt sich der Staudruck der ein Maß für die Geschwindigkeit ist. Die Farbmarkierungen kennzeichnen die Geschwindigkeitsbereiche des jeweiligen Segelflugzeugs.

 

Das Variometer

Das Variometer zeigt die Steig- oder Sinkgeschwindigkeit (in m/s) des Segelflugzeugs an. Das Funktionsprinzip ist ähnlich dem eines Höhenmessers, allerdings mit dem Unterschied, dass die Membrandose nicht geschlossen, sondern mit einem Ausgleichsgefäß verbunden ist. In diesem Ausgleichsgefäß herrscht der gleiche Luftdruck wie außerhalb, allerdings mit einer kleinen Zeitverzögerung (welche durch eine schmale Öffnung erzielt wird). Durch die Messung des Differenzdrucks lässt sich darauf zurückschließen, ob das Flugzeug steigt oder sinkt und wie rasch die Höhenänderung vor sich geht. Die Steig- und Sinkgeschwindigkeiten sind gerade für ein Segelflugzeug sehr wichtig und so haben sich hier verschiedene Bauformen entwickelt (elektrische Variometer, Stauscheibenvariometer, usw.). Elektrische Variometer liefern die Steigwerte auch akustisch. Der Pilot kann sich deshalb voll auf seine Umgebung konzentrieren und muss nicht ständig auf das Instrumentenbrett schauen.

 

Die Steuerorgane eines Segelflugzeugs

Ein Pilot hat im wesentlichen zwei Bedienelemente zur Steuerung seines Flugzeuges. Zum einen den Steuerknüppel, der sowohl nach vorne (drücken) und nach hinten (ziehen) als auch nach links und rechts bewegt werden kann, und zum anderen die Pedale, die entweder mit dem linken oder dem rechten Fuß getreten werden können. Diese Steuerorgane reichen aus, um das Flugzeug um alle drei Achsen bewegen zu können. Alle anderen zusätzlichen Elemente, wie z.B. Brems- und Wölbklappen, auf die später noch eingegangen wird, dienen lediglich dazu, die Gleiteigenschaften des Flugzeuges zu verbessern oder zu verschlechtern, um z.B. präzisere Landungen durchführen zu können.

 

 

Das Höhenruder

Am einfachsten zu verstehen ist die Funktion des Höhenruders. Es befindet sich am Ende des Höhenleitwerkes, und es dient dazu, Drehungen um die Querachse durchzuführen (Nicken). Wenn der Pilot den Steuerknüppelnach vorne drückt, wird das Höhenruder nach unten ausgelenkt. Dadurch entsteht ein Auftrieb am Höhenleitwerk, der Schwanz des Flugzeuges wird angehoben, und die Nase bewegt sich nach unten. Das Ziehen des Knüppels bewirkt genau das Gegenteil: Das Höhenruder wird nach oben ausgelenkt und erzeugt dadurch einen Abtrieb, der den Schwanz nach unten drückt und die Nase anhebt. Also: Steuerknüppel drücken- Nase nach unten, Steuerknüppel ziehen - Nase nach oben.

Die Bewegung der Nase nach unten bewirkt, dass das Segelflugzeug auf einer steileren Bahn nach unten gleitet. Es wird schneller, verliert aber auch schneller an Höhe. Dementsprechend führt ein Anheben der Nase zu einer Geschwindigkeitsabnahme und zu einem, wenn auch kurzfristigen, Höhengewinn.

 

Das Seitenruder

Das Seitenruder befindet sich hinten am Seitenleitwerk des Flugzeuges. Es kann mit den Pedalen entweder nach links (linkes Pedal treten) oder nach rechts (rechtes Pedal treten) ausgelenkt werden. Es dient dazu, das Flugzeug um die Hochachse zu drehen (Gieren). Eine Auslenkung nach links bewirkt einen Unterdruck auf der rechten Seite des Seitenleitwerks, und die Flugzeugnase dreht sich nach links. Eine Rechtsdrehung wird genau umgekehrt ausgeführt.

Also: Linkes Pedal treten - Flugzeug dreht nach links, rechtes Pedaltreten - Flugzeug dreht nach rechts.

Allerdings reicht das Seitenruder allein nicht für einen sauberen Kurvenflug. Ähnlich wie ein Fahrrad muss sich auch ein Segelflugzeug "in die Kurve legen", um nicht aus der Kurve herausgetragen zu werden. Zu diesem Zweck gibt es noch zwei weitere Ruder, die Querruder.

 

Die Querruder

Die Querruder befinden sich jeweils am äußeren Ende der Tragflächen und werden wie das Höhenruder mit dem Steuerknüppel bewegt. Bewegt man den Knüppel nach rechts, so wird das rechte Querruder nach oben ausgelenkt, wodurch dort Abtrieb erzeugt wird (siehe Höhenruder). Gleichzeitig wird das linke Querruder nach unten ausgelenkt und erzeugt Auftrieb. Die rechte Fläche senkt sich, und die linke Fläche hebt sich. Diese Drehung um die Längsachse wird "Rollen" genannt.

Ein sauberer Kurvenflug kann weder mit den Querrudern noch mit dem Seitenruder allein durchgeführt werden. Man muss immer beide Ruder koordiniert betätigen.

Also: Linkes Pedal treten und Steuerknüppel nach links - Kurve links, rechtes Pedal treten und Steuerknüppel nach rechts - Kurve rechts.

 

Die Bremsklappen

Um den Gleitwinkel eines Segelflugzeuges beim Endanflug steuern zu können, kann der Pilot Bremsklappen (auch Störklappen genannt) betätigen. Sie fahren aus den Tragflächen senkrecht zur Luftströmung aus und dienen dazu, den Luftwiderstand zu erhöhen sowie den Auftrieb zu verringern, um die Gleiteigenschaften des Flugzeuges zu verschlechtern.

 

Die Wölbklappen

Die Wölbklappen befinden sich am hinteren Ende des Tragflügelprofils und dienen dazu, das Profil an unterschiedliche Fluganforderungen anzupassen. Beim Schnellflug braucht man zum Beispiel einen möglichst geringen Luftwiderstand, wohingegen beim Landen eine größere Auftriebserhöhung (langsameres Sinken) und ein größerer Widerstand (Fahrtminderung) von Vorteil ist.

 

So wird Motorloses Fliegen möglich: natürliche Aufwinde

Aber wie kommen nun Strecken von über 1000 km zustande? Ganz einfach, indem man natürliche Aufwinde nutzt. Bei einem Eigensinken des Segelflugzeuges von ca. 0,5 m pro Sekunde würde ein Aufwind von 2 m/s, und das ist keine Seltenheit, das Flugzeug innerhalb von 10 min auf eine Höhe von 900 m tragen. Die so gewonnene Höhe kann man dann wieder abgleiten, um den nächsten Aufwind zu suchen. Bekannte Aufwindformen sind der Hangaufwind, die Thermik und die Welle.

 

Der Hangaufwind

Der Hangaufwind war die erste Energiequelle, die die Segelflieger bewusst für sich ausnutzten. Dieser Aufwind ist in seiner Wirkungsweise auch am leichtesten zu verstehen. Ein Wind, der in der Ebene horizontal weht, wird durch ein Hindernis nach oben abgelenkt. Im aufsteigenden Teil des Luftstromes kann sich ein Segelflugzeug nach oben tragen lassen. Solche Aufwinde reichen mitunter doppelt so hoch wie das Hindernis.

Der Hangaufwind war lange Zeit die einzige bekannte Energiequelle für längere Flüge. Er ist auch die beständigste. Leider hat der Hangaufwind einige wesentliche Nachteile. Erstens ist er nur in gebirgigen Gebieten anzutreffen, und zweitens ist die Höhe, die man mit ihm erreichen kann, sehr begrenzt. Er ist außerdem abhängig von Windrichtung und Windgeschwindigkeit. Längere Streckenflüge sind damit kaum möglich. Man benötigt eine leistungsfähigere Energiequelle. Diese fand sich dann in der heute bekannten Thermik.

 

Die Thermik

Thermische Aufwinde oder kurz "Thermik" genannt entstehen, wenn Blasen aus warmer Luft vom Erdboden aufsteigen. Beim Aufstieg in die Höhe dehnt sich die Luft aus, da der Luftdruck abnimmt. Dadurch nimmt gleichzeitig die Temperatur der aufsteigenden Luft ab.

Wird es mit zunehmender Höhe schneller kälter, als die aufsteigende Luft während ihres Steigens an Temperatur verliert, bleibt die aufsteigende Luft trotz ihrer Abkühlung immer wärmer als die Umgebung und steigt immer weiter, unter Umständen mehrere tausend Meter hoch. Wenn eine solche Aufstiegsbewegung erst einmal begonnen hat, erfasst sie auch die umgebende Luft, die anfangs gar nicht wärmer war. Aus der aufsteigenden Blase ist eine Art Schlauch geworden, Segelflieger sprechen dann vom "Bart".

Die Segelflieger versuchen nun, durch enge Kreise möglichst im Zentrum dieser Aufwinde zu bleiben. Da die aufsteigende Luft sich abkühlt, kondensiert die Luftfeuchtigkeit irgendwann einmal und es bildet sich eine Wolke. Diese Schönwetterwolken (Cumulus) sind das sichtbare Zeichen von Thermik und lassen das Segelfliegerherz höher schlagen. Wenn die Wolke erreicht ist, fliegt man mit hoher Geschwindigkeit solange in Richtung der geplanten Strecke, bis die Höhe verbraucht ist bzw. ein neuer "Bart" das Flugzeug wieder steigen lässt. Heute ist der thermische Segelflug die wichtigste Variante, insbesondere wenn es um Langstreckenflüge geht.

Auch in der Umgebung unseres Flugplatzes ist die Thermik nahezu die einzige Aufwindart, die nutzbar ist. Als gut gelten hier Wettersituationen, die Steiggeschwindigkeiten von 2-3 m/s und Steighöhen von mehr als 1200 m über Grund erlauben. An besonders guten Tagen werden auch schon mal 5 m/s und 2500 m erreicht. In anderen Gegenden der Welt können thermische Aufwinde auch bis zu 8 m/s und Steighöhen von 4000 m und mehr erbringen. Noch größere Steigwerte und Höhen erreicht man normalerweise nur noch mit einer anderen Aufwindart, dem Wellenaufwind.

 

Die Welle

Beobachtet man einen schnell fließenden Gebirgsbach, in dem ein großer Stein oder Fels liegt, so bemerkt man oft folgende Situation: Beim Überfließen des Hindernisses bildet das Wasser einen Buckel und hinter dem Hindernis eine Art Tal. Etwas dahinter folgt ein weiterer Buckel, obwohl sich an dieser Stelle kein Hindernis mehr befindet. Was man dort beobachtet, ist eigentlich nichts anderes als eine Welle, nur dass diese sich immer an der gleichen Stelle befindet, da sich anstelle der Welle das Wasser fortbewegt. In der Atmosphäre kann genau das gleiche Phänomen auftreten, vorausgesetzt die Luftmasse verhält sich ähnlich wie das strömende Wasser.

An die Stelle der Steine treten Gebirgszüge, die quer zur Windrichtung liegen. Insofern sind die Verhältnisse ganz ähnlich wie beim Hangwind. Befindet sich nun genau dort, wo die Nachschwingung wiederum einen Wellenberg hat, eine weitere Bergkette, wird dieser Wellenberg durch einen Resonanzeffekt deutlich höher sein, als der über der ersten Bergkette. Im Unterschied zum Hangwind findet man in bei Wellenaufwinden die besten Steigmöglichkeiten nicht an der ersten Bergkette, sondern erst dahinter, also bei der zweiten oder dritten Welle. Daher spricht man auch von sogenannten Leewellen ( Lee = windabgewandte Seite).

Das Vorhandensein von Bergen ist nun nicht, wie man meinen könnte, unbedingt erforderlich für die Entstehung von Wellenaufwinden. Auch andere Erscheinungen in der Atmosphäre können solche Aufwinde erzeugen, man spricht dann von Scherungswellen oder auch thermischen Wellen.

Wellenaufwinde können bis in die Stratosphäre reichen. Dabei werden Steiggeschwindigkeiten von mehr als 15 m/s erreicht, wie sonst nur im Gewitter, aber ohne die gefährlichen Turbulenzen. Die größte dokumentierte Höhe, die ein Segelflugzeug jemals erreicht hat, beträgt über 16000 Meter. Der anerkannte Höhenweltrekord liegt dagegen bei 15900 Metern. Flüge in solchen extremen Höhen sind aufwendige Projekte, die eine lange Vorbereitung benötigen und bei denen extreme Anforderungen an die Ausrüstung des Piloten gestellt werden.  Im Jahre 2003 lag der Streckenweltrekord bei rund 3008 km und 2006 der Geschwindigkeitsrekord bei 306 km/h (Durchschnittsgeschwindigkeit über einer Distanz von 500km).